Heitere Lesung zu alten Zeiten
Gleich vorab: das „Tintenfass“ hätte besser besucht sein können. Aber wer gekommen war, ließ sich auf eine überwiegend heitere Geschichte aus 1096 Tagen Armeezeit in der DDR ein. Wie Wilhelm Schlüter vorher schon angekündigt hatte, ging es Anfang der 1960er Jahre bei der Truppe noch “locker“ zu, halfen die Tipps des Vaters, was den Umgang mit Kameraden und Vorgesetzten betraf.
Als sei es gestern gewesen, erinnerte sich Wilhelm Schlüter an seine Einberufung am 4. Mai 1963 auf dem Hauptbahnhof in Magdeburg. Das vorläufige Ziel der „Gruppe Stallberg“ lag bei Pasewalk, gar nicht weit entfernt vom berühmtberüchtigten Eggesin. Nichts hat Wilhelm Schlüter von damals vergessen. Begonnen von der ersten, wenig Gutes verheißenden Begrüßung in der Kaserne durch die Altgedienten über die erste Begegnung mit dem Spieß und seiner sogenannten „Anschisskommode“, einem kleinen Notizbuch, das vorn am Bauch in der Uniformjacke steckte, bis hin zum riesigen Schlafsaal mit 150 Stahlbetten.
Bildreich schilderte Wilhelm Schlüter seine ersten Tage beim „VEB Gleichschritt“, wie in der Grundausbildung „das Gelände auf dem Koppelschloss liegend ausgemessen wurde“ und er 1963 mit seinen Kameraden zum Raketenschießen nach Kasachstan ausrückte und das in blauen Uniformen des Deutschen Roten Kreuzes. Wegen der Befindlichkeiten im Gastland. Ähnelten die NVA-Uniformen doch allzu sehr den alten Wehrmachts-Röcken. Zehn Tage Bahnfahrt in Viehwaggons ohne Toiletten konnten sich alle Zuhörer nur zu gut vorstellen. Sie litten mit und hielten sich die Bäuche vor Lachen, wenn die Erinnerungen heftig-deftig wurden. Manchmal ließ sich lautes Prusten nicht vermeiden. Besonders schön war, dass Wilhelm Schlüter als besondere Beigabe auch ein paar alte Fotos hervorgekramt und Abbildungen von Raketen seinen Geschichten beigefügt hatte. Aufgearbeitet „landeten“ sie an einer großen Leinwand. Mit Erzähllust und humorvoll trug Wilhelm Schlüter seine Erinnerungen vor. Warum sich nur wenige einladen ließen zu diesem Abend im „Tintenfass“ ist nicht zu erklären. Vor allem nicht mit dem Spruch, gehört am Sonntag auf dem Klutturm: „In Rogätz ist doch nichts los!“ Was bedarf es mehr, als sich einfach mal aufzuraffen und Angebote anzunehmen? Die Veranstalter würden sich riesig freuen. Garantiert.
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